In den vergangenen Monaten hat das Interesse an Kryptowährungen noch einmal stark zugenommen. Gerade bei jüngeren und technikaffinen Anlegern ist es oftmals groß. Aber auch klassische Investoren stellen sich die Frage, ob sie es sich leisten können, diese Assetklasse auch künftig zu ignorieren. Eine allgemeingültige Antwort, ob – und wenn ja wie – Kryptowährungen eingesetzt werden sollten, gibt es nicht. Nachstehend soll daher das Für und Wider abgewogen werden.
Warum sind Kryptowährungen so nachgefragt? Hierfür gibt es zwei Hauptargumente: Erstens sorgt die ungezügelte Politik des „Gelddruckens“ der Notenbanken für wachsendes Misstrauen vieler Marktteilnehmer gegenüber dem System des „Fiatgeldes“. Dieser Begriff bezeichnet eine nationale Währung, die mengenmäßig nicht begrenzt ist und zudem nicht mit etwas „Realem“ wie einem wertvollen Edelmetall hinterlegt ist. Für die Akzeptanz einer solchen Währung ist das Vertrauen der Öffentlichkeit in die Regierung undoder die Zentralbank des jeweiligen Landes unabdingbar. Zunehmend entsteht die Befürchtung, dass die eigentlich unabhängigen Notenbanken de facto zum reinen Erfüllungsgehilfen der Politik mit der Folge einer ungehemmten Verschuldungspolitik degradiert werden.
Somit gibt es den Wunsch nach einer Währung, deren Volumen strikt begrenzt ist. Hierfür ist der Bitcoin ein populäres Beispiel. Dessen Höchstmenge ist auf 21 Millionen Stück limitiert, wovon bisher rund 19 Millionen Stück bereits erschaffen bzw. „geschürft“ wurden. Zusätzlich sind Kryptowährungen nicht an einzelne Staaten bzw. Währungsräume gebunden, was ein Höchstmaß an Unabhängigkeit garantiert.
Zweitens ist es zumindest in der Theorie ausgesprochen praktisch, Zahlungen durchzuführen, ohne dass es des Umwegs über eine Bank undoder des komplizierten Umtauschs von einer Währung in die andere bedarf. Außerdem können Zahlungen in Kryptowährungen anonymisiert erfolgen. Diese Möglichkeit sollte man allerdings differenziert betrachten: Einerseits ist es mittlerweile ein Bedürfnis vieler freiheitsliebender Menschen, die eigene „Datenspur“ aus prinzipiellen Überlegungen so gering wie möglich zu halten. Andererseits beinhaltet ebendiese Anonymität die Gefahr, dass kriminelle Geschäfte wie Geldwäsche über Kryptowährungen betrieben werden.
Crypto-Mining-Farm: Die Graphikkarten glühen vornehmlich dort, wo der Strom günstig ist. Der Energieverbrauch der Krypto-Bau¬ernhöfe ist immens. Weltweit gehen konservativen Schätzungen zufolge aktuell 78 Terawatt auf ihr Konto, das entspricht in etwa dem Stromverbrauch Chiles. Bildquelle: hlopex/Shutterstock
Wie in Kryptowährungen investieren?
Zunächst war die Verwahrung von Kryptowährungen in elektronischen Geldbörsen, sogenannten Wallets, die einzige Möglichkeit. Dies setzte allerdings für wenig technikaffine Anleger hohe Hürden. Zusätzlich besteht die Möglichkeit von Verlusten, etwa durch Cyberkriminalität. Auch andere Beispiele wurden bekannt – etwa die tragikomische Geschichte des Inhabers einer Festplatte mit darauf gespeicherten Bitcoins, die versehentlich auf der Müllkippe landete. Der ehemalige Besitzer führt laut eigenen Angaben seit Jahren Verhandlungen mit der Stadt, um die Müllkippe durchsuchen zu dürfen.
Um einem breiteren Personenkreis eine einfache Investition in Kryptowährungen zu bieten, offerieren Anbieter bereits Möglichkeiten, dies über depotverwahrte Wertpapiere zu realisieren. Naheliegend wäre hier zunächst einmal ein spezialisierter Investmentfonds. Allerdings gibt es bei diesen hohe regulatorische Hürden. Die Folge: Derzeit sind keine Investmentfonds, die ausschließlich in Kryptowährungen investieren, in Deutschland für den unmittelbaren Vertrieb an Privatkunden zugelassen. Alternativ gibt es jedoch eine Reihe von Anbietern, die sogenannte ETC oder ETN herausgegeben haben. Es handelt sich hierbei um Schuldverschreibungen von Gesellschaften, die 1:1 die Entwicklung der zugrunde liegenden Kryptowährung bzw. des Kryptowährungskorbes abbilden sollen. Bei solchen Papieren sind Sicherungsmechanismen wie eine faktische Hinterlegung mit der jeweiligen Kryptowährung obligatorisch. Hierdurch sollen die Risiken im Fall einer Pleite des Emittenten abgewendet werden. Trotz dieser Reduzierung des Emittentenrisikos gilt die Anlage in regulierten Fonds allgemein als sicherer.
Die steuerliche Situation
Es besteht Konsens, dass eine Investition unmittelbar in Kryptowährungen (also ohne Wertpapiere) steuerlich unter die Regelungen eines „privaten Veräußerungsgeschäfts“ gemäß § 23 EStG fällt. Konkret bedeutet dies: Kursgewinne können nach Ablauf eines Kalenderjahres steuerfrei vereinnahmt werden. Bei einer Veräußerung innerhalb eines Jahres ist hingegen eine Besteuerung zum persönlichen Steuersatz vorzunehmen, sofern der Ergebnissaldo aller im jeweiligen Kalenderjahr getätigten steuerbaren Veräußerungsgeschäfte die Freigrenze von 600 Euro überschreitet. Ergebnisse aus Wertpapieren mit Bezug zu Kryptowährungen unterliegen hingegen den üblichen Regelungen der Abgeltungssteuer gemäß § 20 EStG. Gewinne sind somit derzeit unabhängig von der Haltedauer mit maximal 25% (zzgl. Soli und evt. KiSt) zu versteuern.
Die Frage, welche Besteuerungsform die günstigere ist, hängt somit von zwei Faktoren ab: Dem wirtschaftlichen Ergebnis und der Haltedauer. Eine pauschale Antwort, was für den Anleger steuerlich günstiger ist, kann es aus diesem Grund nicht geben.
Chancen und Risiken
Die Möglichkeit einer Investition in Kryptowährungen wurde im Verlauf des vergangenen Jahres zunehmend salonfähig. Gerade bei vermögenden Anlegern sorgt die völlig ungeklärte Frage, wie jemals die immensen staatlichen Schulden zurückgeführt werden sollen, für Unbehagen. Bei dieser Klientel ist die Sorge besonders groß, dass das eigene, oft mühsam aufgebaute Vermögen durch die Notenbankpolitik des Gelddruckens gefährdet ist. Das große Dilemma dieser Anleger: Sollte diese Geldvermehrung sich irgendwann einmal in einer stark steigenden Inflation niederschlagen, so ist die vermeintlich vorsichtigste Variante der Geldanlage – Cash auf dem Konto – plötzlich die schlechtestmögliche Anlageform.
Insofern sehen gerade vermögende Anleger Investitionen in Kryptowährungen nicht unbedingt als normale Geldanlage, sondern als Katastrophenversicherung. Es liegt in der Natur der Sache, dass der eigentliche Wunsch darin besteht, dass eine solche Katastrophenversicherung niemals erforderlich sein wird. Überspitzt gesagt: Kunden, die aus Absicherungsgründen einen kleinen Teil in Kryptowährungen investieren, sollten im Grunde hoffen, dass das damit versicherte Unglück nicht eintrifft und sich dieser Teil der Gesamtanlage daher schlecht entwickelt.
Auch der Begriff „Versicherung” ist allerdings mit Vorsicht zu genießen: Denn die Wertentwicklung von Kryptowährungen war in den vergangenen Monaten fulminant, obwohl die Inflation sich weiter moderat entwickelte. Aus Sicht investierter Kunden ist ein solches Szenario natürlich besonders erfreulich. Im Umkehr-schluss bedeutet dies aber auch: Ob die Absicherung im Krisenfall wirklich funktioniert, ist ebenfalls nicht zu 100% sicher. Zu Beginn der Coronakrise zumindest war die Wertentwicklung des Bitcoins im Gleichschritt mit den Aktienkursen zunächst stark abwärts gerichtet.
Bei der Beurteilung von Risiken der Kryptowährungen sind zwei Aspekte zu unterscheiden: Zum einen steht die Frage im Raum, ob sich künftig Kryptowährungen nach und nach durchsetzen und eine zunehmende praktische Relevanz im Zahlungsverkehr erlangen könnten. Hierfür spricht einiges: Immer mehr Anbieter präsentieren Pläne für die Möglichkeit, unmittelbar mit Kryptowährungen zu bezahlen. Die andere Frage lautet: Wenn sich Kryptowährungen durchsetzen: Welche dieser Währungen werden „die Gewinner” sein?
Aus heutiger Sicht scheint die Antwort klar: Der Bitcoin hat eine herausragende Dominanz innerhalb der Kryptowährungen. Es ist jedoch nicht ohne weiteres möglich, eine führende Marktposition der Gegenwart ungefiltert auf die Zukunft zu projizieren. Die Behavioral Finance Forschung spricht bei diesem verbreiteten Gedankenfehler vom sogenannten „Recency Effekt”.
Ein prägnantes Beispiel hierfür ist der Markt für Mobiltelefone: Zu Beginn des Jahrtausends war klar, dass der Markt vor einem gigantischen Wachstum steht. Seinerzeit war Nokia eindeutiger Marktführer und schien unangreifbar. Aus heutiger Sicht zeigt sich jedoch: Obgleich der Mobilfunktmarkt wie erwartet stark gewachsen ist, spielt heute die Firma Nokia als Hersteller von Smartphones keine signifikante Rolle mehr.
Übertragen auf Kryptowährungen heißt das: Auch wenn Kryptowährungen in Gänze künftig immer stärker nachgefragt werden sollten, ist nicht unbedingt gesagt, dass der bisherige „Platzhirsch Bitcoin” diesen Status auch verteidigen kann.
Zusätzlich ist folgendes zu bedenken: Eine steigende Bedeutung von Kryptowährungen hat im Gegenzug einen schwindenden Einfluss der Notenbanken zur Folge, was aus politischer Sicht ungelegen kommen dürfte. Es sind somit staatliche Restriktionen des Handels bis hin zum Verbot denkbar. Andererseits wird seitens einiger Staaten selbst über die Einführung eigener Kryptowährungen nachgedacht. Inwieweit diese eine ernstzunehmende Konkurrenz zu den bisherigen Kryptowährungen darstellen oder aber sogar für einen Popularitätsschub für Kryptowährungen als Ganzes sorgen würde, bleibt abzuwarten.
Neben der Absicherung von Inflationsszenarien ist aus Sicht von Investoren noch eine weitere Chance gegeben: Wenn immer mehr Leute in ein nahezu gleich-bleibendes Angebot investieren möchten, wird dies unweigerlich zu einem Preisanstieg führen. Allerdings ist zu beachten: Eine fundamentale Bewertung von Kryptowährungen, wie man sie von Aktien oder Immobilien kennt, ist nicht möglich. Ein intrinsischer Wert nach konventionellen Rechenmaßstäben ist schlicht nicht ermittelbar.
Unterm Strich bleiben Kryptowährungen zum jetzigen Zeitpunkt ein hochriskantes Spekulationsobjekt in einem weitestgehend rechtsfreien Raum, das sich nicht zur systematischen Vermögensbildung eignet. Die Risiken, die über die reinen Wertschwankungen von Kryptowährungen hinausgehen, zeigt aktuell der Fall der türkischen Krypto-Börse Thodex: Ihr Geschäftsführer ist auf der Flucht, während rund 400.000 vor allem Kleinanlegern der Zugriff auf insgesamt zwei Milliarden US-Dollar Vermögen womöglich für alle Zeiten verwehrt bleibt. Abschreiben sollten Anleger die Assetklasse Kryptowährungen deshalb natürlich nicht. Sehr hilfreich wäre es sicherlich, wenn gestandene Marktteilnehmer regulierte Investmentprodukte mit attraktivem Chance- Risiko-Verhältnis für die breite Masse auflegen. Hier dürfte bereits einiges in der Pipeline sein. Wir halten Sie hierzu selbstverständlich auf dem Laufenden.
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Quelle: https:www.netfonds.de
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